Irgendwo ankommen müssen, wo man eigentlich nie hinwollte – von Erinnerungen gequält und innerlich zerrissen. Diese Erfahrung teilt der polnische Zwangsarbeiter Ferdinand Matuszek mit vielen jungen Menschen, die heute in Europa unfreiwillig ein Zuhause suchen. Basierend auf seinen Lebenserinnerungen haben Regina Berges und Michael Grunert ein Solotheaterstück entwickelt, das immer wieder einen Bogen in die Gegenwart schlägt. „Wir möchten Empathie für Heimatsuchende wecken und wünschen uns eine respektvolle Öffnung gegenüber Menschen, die traumatisiert sind und mit einem schweren Schicksal hier landen wollen und müssen“, so Schauspieler Michael Grunert. „Mit einer Mischung aus Dokumentation und Theater wollen wir Zeitgeschichte mit einem starken regionalen Bezug vorstellen und Parallelen aufzeigen zwischen damals und heute.“
Angestoßen hat die Produktion der Förderverein der Dokumentationsstätte Stalag 326 Senne. Dort hat der Bielefelder Schauspieler bereits sein Solo „Schlachtertango“ gezeigt, das von der Biografie eines schwulen, in Bielefeld gebürtigen Juden inspiriert ist. Grundlage des neuen Stückes, das Michael Grunert gemeinsam mit Regisseurin Regina Berges entwickelt, ist das Buch „Ich hatte nichts gegen Deutsche, nur gegen Faschisten. Die Lebensgeschichte des Ferdinand Matuszek“ von Friedhelm Schäffer und Oliver Nickel.
„Für unsere Recherche haben wir natürlich das Buch gelesen, aber auch viele Gespräche mit den beiden Autoren sowie der Lebensgefährtin Ferdinand Matuszeks geführt, der selbst 2014 gestorben ist“, erzählt Regina Berges. „Und wir haben den Bauernhof besucht und das Zimmer gesehen, in dem er als Zwangsarbeiter gelebt hat.“ Michael Grunert ergänzt: „Wir haben viel historisch geforscht sowie über die politischen Umstände, die ihn geprägt haben. Das Stück ist keine Bebilderung seines Lebens, aber vieles, was er erlebt hat, hat uns inspiriert und zu Szenen geführt.“ Erlebt hat Ferdinand Matuszek, dass er als 16-Jähriger von der SS aus Ostgalizien zur Zwangsarbeit auf einen Bauernhof nach Ostwestfalen deportiert wurde. „Unser erster Gedanke war, wie sehr er darauf angewiesen war, dass Menschen ihm gegenüber menschlich bleiben“, so Regina Berges. „Da hat er großes Glück gehabt. Die Bauernfamilie ist auf einem schmalen Grat gewandelt: Im System nicht auffallen, sich aber dennoch anständig verhalten.“
Das Schicksal eines Menschen, der ausgerechnet in einem Alter, wo man nach Fixpunkten und Orientierung sucht, von seiner Familie getrennt wurde, berührt sie besonders. „Diese Zerrissenheit hat ihn Zeit seines Lebens geprägt“, unterstreicht die Regisseurin. „Ähnlich wie viele andere hat Ferdinand Matuszek lange nicht über seine Erlebnisse sprechen können“, so Michael Grunert. „Erst im hohen Alter hat er begonnen, sie zu verarbeiten. Vieles davon hat Eingang gefunden in unser Stück, das von einem Leben hinter und zwischen sichtbaren und unsichtbaren Zäunen erzählt.“
7. & 8.4., 20 Uhr, Tor 6 Theaterhaus